Statt eines Vorworts

While riding on a train goin’ west
I fell asleep for to take my rest
I dreamed a dream that made me sad
Concerning myself and the first few friends I had...

How many a year has passed and gone
And many a gamble has been lost and won
And many a road taken by many a friend
And each one I’ve never seen again

I wish, I wish, I wish in vain
That we could sit simply in that room again
Ten thousand dollars at the drop of a hat
I’d give it all gladly if our lives could be like that
Bob Dylan's Dream, 1964

Sonntag, 8. Juli 2012

(I can't get no) Satisfaction



(I can't get no) Satisfaction
Rolling Stones, 1965
Mick Jagger/Keith Richards

Der Song gilt gemeinhin als eine der Hymnen der Rockgeschichte, die in den 60ern - lange her, aber immer noch unvergessen - die Revolution von Politik, Kultur und Leben weltweit bedeuten. Eine Hymne, die aus einer sehr übersichtlichen Zahl von Worten besteht, dazu einer Vielzahl von Wiederholungen und relativ bescheidenen Beschreibungen aus Erlebniswelt eines Sängers / Erzählers, der immer und immer wieder beteuert, er könne keine Befriedigung erreichen, "I can't get no satisfaktion." Von diesem Song, so erzählt die Legende, ging soviel Energie und ansteckende Kraft aus, dass die bis dahin fast unbekannten Rolling Stones 1965 in kürzester Zeit weltberühmt und seine Autoren Mick Jäger und Keith Richard zu den Königen des Rock wurden. Könige des Rock, obwohl sie doch eigentlich Blues spielen wollten.
http://www.youtube.com/watch?v=m6Ts8XS_UO4
I can't get no satisfaction

Jagger und Richards hatten hart für den Erfolg gearbeitet. Sie schrieben den Song zu einer Zeit, als Bob Dylan den klassischen Folk zur Begleitmusik einer Revolte gemacht hatte, die er selber gar nicht wollte. Als die freundlichen Beatles mit anfangs völlig harmlosen Liedchen ihren Erfolgszug um die Welt begannen, spielten die Stones ihren Blues und bereiteten sich darauf vor, irgendwann einmal die rebellische Antwort auf die angepassten Beatles zu werden. Und "Satisfaction" war die Antwort auf das "She Loves you Yeah Yeah" und "I Wanna Hold your Hand" der Fab 4. Der Songtext selbst scheint auf den ersten Blick nicht dazu angehalten, irgendeine rebellische Antwort auf irgendwas zu sein. Zu einem der bekanntesten Gitarrenriffs der Rockgeschichte setzen die Stones mit der Feststellung ein "I can't get no satisfaction", wiederholen dies ständig und beteuern, dass dies so sei, "'Cause I try, 'cause I try." 

I got the blues
Und obwohl anderslautende Meldungen etwas Anderes besagen, ist der ausschließliche Bezug auf das sexuelle Bedürfnis des Mannes in diesem Song keineswegs so eindeutig und ausschließlich. Vielmehr deutet die mit der Schilderung des entnervenden Radioempfangs beginnende Aufzählung verschiedener frustrierender Wahrnehmungen darauf hin, dass sich die allgemeine Unzufriedenheit mit den Weltläuften immer wieder mischt mit diesem unbefriedigten Urtrieb. Offen bleibt, ob die Wendung "I can get no satisfaction" gleich zu setzen wäre mit der alten Formel "I got the blues."

When I'm drivin' in my car 
And the man comes on the radio 
He's tellin' me more and more 
About some useless information 
Supposed to drive my imagination 

Die ganze Welt, hier verkörpert durch den Radiosprecher, ist eine insgesamt sinnlose Veranstaltung, die eigentlich den autofahrenden Zuhörer ablenken soll, ihn vielleicht sogar manipulieren soll. Der Fahrer möchte sich aber nicht von sinnlosen Informationen beeinflussen lassen, denn sein Problem besteht offenbar einzig und allein darin, durch nichts und wieder nichts befriedigt zu werden, beziehungsweise frustriert zu bleiben. Explizit erwähnt der Sänger nicht, weshalb er nun genau unfähig ist, Satisfaction zu erlangen. In der Spannung zwischen dem unruhigen Herumsuchen, dem nervösen Beobachten der Umgebung aus dem Auto heraus und seinem Verlangen nach Befriedigung gewinnt der Song eine breitere Grundlage für die Ursachenforschung des Ist-Zustandes des Sängers. Sowohl die Umwelt wie auch sein Verlangen nach Sex setzen den Mann in Bewegung und machen ihn in seinen Handlungen und Reaktionen möglicherweise unberechenbar und sogar gefährlich. 

TV- und Radio-Gaga
Kurz erlaubt sich der Sänger einen Seitenhieb auf all die Werber und Propagandisten der Warenwelt, die ihm weiß machen wollen, welches Waschmittel er nutzen muss, um ein weißeres Hemd tragen zu können:

When I'm watchin' my TV 
And a man comes on and tells me 
How white my shirts can be 
But he can't be a man 'cause he doesn't smoke 
The same cigarettes as me 

Ironisch stellt er fest, dass ein Werber, der noch nicht einmal dieselbe Zigarettenmarke wie er raucht, kein echter Mann sein kann. Damit nutzt er die Logik der Konsumangebote, die er gegen diejenigen wendet, die ihm ihre Logik aufzwingen wollen. Aufzwingen wollen, obwohl er doch mehr daran interessiert ist, Mädchen kennenzulernen. Und eben das gelingt ihm nicht, jetzt nicht.

Aber es konnte sich auch nur um eine kurzfristige Pechsträhne handeln, denn

When I'm ridin' round the world 
And I'm doin' this and I'm signing that 
And I'm tryin' to make some girl 
Who tells me baby better come back, maybe next week 
'Cause you see I'm on losing streak 

Das heißt, der Erzähler ist rund um die Welt im Einsatz, an Gelegenheiten Mädchen kennenzulernen fehlt es ihm nicht, aber sein derzeitiges Pech verhindert, dass er seine Befriedigung genießen kann. Hier spricht ein erfahrener Womanizer oder erwachsener Mann über seine gegenwärtig entnervend frustrierende Situation, in der ihn so gut wie alles nervt und frustriert. Der wiederkehrende Ausruf "I can't get no" ist deshalb nicht ausschließlich auf Sex und Sinnlichkeit ausgerichtet.

I got my mojo running?
Er trifft vielmehr einen alles umfassenden Gesamtzustand der Gesellschaft, in der nichts als Langeweile, kommerzielle Anmache und ständige Wiederholung den Alltag bestimmen. Vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund und dem sich damals mehr und mehr sexuell aufladenden Zeitgeist der 60er mag die Zuhörerschaft die eindeutige Ansage herausgehört haben, es ginge künftig vor allem um sexuellen Triebabbau und Steigerung des libidinösen Erlebens. Der Text selbst allerdings gibt diese Verengung nicht recht her. Dazu fehlen entsprechende sexuelle Anspielungen, Symbole, sprachliche Wendungen wie sie im Blues Verwendung finden, etwa wenn Muddy Waters singt, "I got my mojo running." 

Vom Auftritt der Stones im Londoner Hyde Park Ende der 60er Jahre geht die Sage, dass sie es in der Hand gehabt hätten, die Massen zum Protest auf die Straßen zu schicken, wie sie es in ihrem Song "Street Fighting Man" beschrieben haben. Oder etwa doch nicht? Ein Fall, der zu prüfen wäre. Die Sage jedoch besagt, die Stones hätten es schlicht nicht gewollt oder bemerkt, wie sehr sie die Massen im Griff hatten. Mag sein, dass dies auch ganz ähnlich für die Wirkungsabsicht von "Satisfaction" gegolten hat.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen