Statt eines Vorworts

While riding on a train goin’ west
I fell asleep for to take my rest
I dreamed a dream that made me sad
Concerning myself and the first few friends I had...

How many a year has passed and gone
And many a gamble has been lost and won
And many a road taken by many a friend
And each one I’ve never seen again

I wish, I wish, I wish in vain
That we could sit simply in that room again
Ten thousand dollars at the drop of a hat
I’d give it all gladly if our lives could be like that
Bob Dylan's Dream, 1964

Mittwoch, 29. August 2012

Human


Human
The Killers, 2008

Im gesamten Pop- und Rock-Universum sind Texte, denen es um mehr als Boy-Meets-Girl geht eher die Seltenheit. Um so bemerkenswerter ist es, wenn sich hin und wieder einmal ein Songschreiber dazu hinreissen lässt, es damit zu versuchen. So geschehen bei The Killers, die mit "Human" 2008 einen Charterfolg hatten. Ausweislich der Informationen bei Wikipedia siedelt Autor Brandon Flowers selbst den Song irgendwo zwischen Johnny Cash, Pet Shop Boys und Bruce Springsteen an. Womit die Gefilde des Boy-meet-Girl-Pops tatsächlich schon verlassen wären.


The Killers live in der Royal Albert Hall, 2009

"I did my best to notice when the call came down the line" beginnt der Sänger und berichtet aus einer Lebensphase, die bereits hinter ihm liegt. Damals erwartete er einen Ruf, einen Anruf, eine Aufforderung, die ihn "up to the platform of surrender" bringen sollte, den Bahnsteig der Aufgabe, den Ort, von dem aus Reisen beginnen, wo Entscheidungen getroffen werden müssen, wo eigene Entscheidungen relativiert und ins Verhältnis zu den Forderungen des Tages gesetzt werden. "But I was kind", offenbar zufrieden oder wenig misstrauisch wegen seines bevorstehenden Weges. Inzwischen jedoch scheint diese Zuversicht einer Nervosität und Unsicherheit gewichen zu sein, die allein schon der Anblick einer offenen Tür auslösen kann. Eine offene Tür, vor der er mit geschlossenen Augen, geläutertem Geist und gerade eben abgenabelt steht: "And sometimes I get nervous when I see an open door. Close your eyes, clear your heart, cut the cord."
Von damals bis heute, wie lang diese Zeitspanne womöglich gewesen ist, erfahren wir nicht, hat der Erzähler schon einen Wandel in seiner Haltung erfahren. Vom ursprünglichen Optimismus des Anfangs ist inzwischen die Unsicherheit angesichts der Herausforderungen einer ungewissen Zukunft geworden. Dies führt ihn dazu, sich schließlich die Frage zu stellen, "are we human or are we dancer?" Menschen oder Tänzer, selbstbestimmte Wesen oder fremdgelenkte Puppen? Er weiß es nicht, seine Lebenszeichen sind vital, seine Hände allerdings kalt. Auf den Knien kauernd erwartet er eine Antwort. Wer ihm diese Antwort geben soll, wem er diese fast flehentlichen Fragen stellt, wird allerdings nicht ganz klar. Abgenabelt, mit geläutertem Geist fern von allem Bekannten verliert der Sänger offenbar jede Gewissheit über sich, sein Leben und das der anderen Menschen gleich mit.
Und dann berichtet er, was es ihn gekostet hat, diesen neuen Weg zu gehen:
Pay my respects to grace and virtue
Send my condolences to good
Give my regards to soul and romance,
They always did the best they could
And so long to devotion
You taught me everything I know
Wave goodbye
Wish me well..
You've gotta let me go
All die guten Lehren der Jugend, alles, was der Mensch braucht, um ein menschenwürdiges Leben inmitten von Menschen, inmitten der Gesellschaft zu leben, gibt er nun auf, lässt er hinter sich mit der Bemerkung, dass sie ihn werden gehen lassen müssen : "Mein Respekt an Grazie und Tugend, meine Grüße an die Güte, gib meine Wünsche an Seele und Romanze", alle haben lange Zeit ihr Bestes gegeben, aber nun ist es Zeit, Abschied zu nehmen, wünscht mir alles Gute und dann werdet ihr mich gehenlassen müssen.
Was geschieht dem Sänger hier? Hier scheint ein (junger) Mensch die ersten Schritte in die Selbstständigkeit zu machen oder ein anderer steht vor einer einschneidenden Veränderung in seinem Leben. Was ihn ruft, wer ihn ruft, wird nicht deutlich. Wohin die Reise geht und warum es zum Bestehen dieser Reise notwendig sein sollte, all seinen Erfahrungen bis dahin Lebewohl zu sagen, wird ebenfalls nicht gesagt und auch nicht angedeutet. Dies spräche dafür, dass der einsame Sänger selbst nicht über Sinn und Zweck seiner Reise informiert ist und sie vielmehr ins Ungewisse führt:
Will your system be alright
When you dream of home tonight?
There is no message we're receiving
Let me know is your heart still beating
Vielleicht bringt die Reise, die Fahrt bis ans Ziel die Antwort auf die Frage, ob er tun kann, was er will, oder ob er tun muss, was der große Puppenspieler mit ihm vorhat. Aber was er weiß, ist, dass er fortan sehr allein sein wird und abgeschnitten.... Klingt nach richtig viel Leben, oder?


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