Statt eines Vorworts

While riding on a train goin’ west
I fell asleep for to take my rest
I dreamed a dream that made me sad
Concerning myself and the first few friends I had...

How many a year has passed and gone
And many a gamble has been lost and won
And many a road taken by many a friend
And each one I’ve never seen again

I wish, I wish, I wish in vain
That we could sit simply in that room again
Ten thousand dollars at the drop of a hat
I’d give it all gladly if our lives could be like that
Bob Dylan's Dream, 1964

Sonntag, 9. September 2012

Racing in the street/Long walk home


Racing in the street, 1978
Long walk home, 2009
Bruce Springsteen

Bruce Springsteen ist einer der unbestrittenen Meister des Story tellings in der Rockmusik. Wer Story telling in der Rockmusik nicht schätzt, wird das Gesicht verziehen, wer Story telling zu schätzen weiß, der erkennt in seinem Werk seit den frühen 70er Jahren immer wiederkehrende Motive und Ideen, die aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und aufgenommen werden. Eine der starken Springsteenscher Songs war und ist es, dass seine Figuren keine Abziehbilder gesichtsloser Charaktere sind, sondern solche mit einer Geschichte, einem Ort und mit Geschichten, von denen es und über die es sinnvoll ist zu erzählen. Über die vielen Jahre seines Schreibens hat Springsteen inzwischen Geschichten zu erzählen, die wie Fortsetzungen oder Variationen seiner alten Songs wirken. In denen Leitmotive aufgenommen und mit einer neuen Perspektive erzählt werden.


Konnte er vor dreißig Jahren noch als ein Ich auftreten, das von eigenen Erfahrungen berichtete, schickt er heute ein anderes, älteres Ich scheinbar an dieselben Orte zurück, um nach Veränderungen und Konstanten zu suchen. Dass er dabei gern als Chronist des amerikanischen Traums etc hergenommen wird, sei hier nur zitiert, jedoch nicht weiter ausformuliert.
"Racing in the Street" war 1978 ein bekanntes Stück auf seinem "The River"-Album, mit "Working on a Dream" veröffentlichte er 2009 (auf dem Magic-Album) eines, das wie ein Echo auf das ältere wirkt. "Racing in the Street" ist die Geschichte eines älteren Heranwachsenden in irgendeiner Provinzstadt im weiten Amerika. Tagein tagaus beschäftigen er und sein Freund Sonny sich mit ihrem Lieblingsspielzeug, dem 69er Chevrolet, mit dem sie Straßenrennen austragen: 
We only Run for the money got no strings attached
We shut 'em up and then wie shut 'em down“

Sie haben Zeit und Geld in diese Rennmaschine investiert und nun ist es an der Zeit, sie einzusetzen und die Action zu suchen: 
We take all the action we can meet
And we cover all the northeast state.
Die Geschichte wird nicht ekstatisch-euphorisch erzählt mit hohem Tempo und Lautstärke, sondern in einem schleppenden elegischen Erzählton, der ganz das Gegenteil des Geschwindigkeitsrausches ist, von dem Sonny und der Erzähler besessen zu sein scheinen. Sie wissen jedoch, warum sie den Nervenkitzel suchen, sie wissen, wovor sie fliehen und welchen Verhältnissen sie aus dem Wege zu gehen versuchen:
Some guys they just give up living
And start dying little by little, piece by piece,
Some guys come home from work and wash up
Then go racin' in the street.
Dem Erzähler ist dies eine furchtbare Vorstellung, er will anderes, "I wanna blow 'em all out of their seats," sagt er und sagt es der ganzen Welt, "calling out around the world we're goin' racin' in the street." 
Zuhause wartet eine Frau auf ihn, die er einst einem Kerl aus Los Angeles ausspannte, die nun aber Kummerfalten um die Augen hat und sich nachts in den Schlaf weint: 
"She sighs 'Baby did you make it all right'
She sits on the porch of her daddy's house
But all her pretty dreams are torn
She stares off alone into the night
With the eyes of one who hates for just being born"
Der Ekstase des rennfahrenden Mannes stehen die früh zerbrochenen Träume seiner Frau gegenüber, für sie scheint der Start in's Leben bereits verdorben zu sein, während er den Kick und den Sieg bei den Autospielen auf den Straßen der Bezirke sucht. Springsteen hat auf "The River" diese Konstellation mehrfach durchgespielt, die Adrenalin getriebenen Kerle, die sich ausprobieren wollen und ganz im Hier und Jetzt leben, während ihre Frauen ihre Zukunft planen wollen und enttäuscht sind, dass die Männer dafür keinen Sinn haben. Anders als der Titelsong nimmt "Racing in the Street" scheinbar eine versöhnliche Wendung, wenn der Sänger ankündigt, dass er mit seiner Süßen heute Abend an die See fahren wird,
"tonight my baby and me
we're gonna ride to the sea
And wash these sins off our hands."
Wieviel sich tatsächlich ändern wird, ob sein Baby damit glücklich sein wird, ob der gemeinsame Spass noch der sein wird, den er bisher in der Männergesellschaft hatte, bleiben unbeantwortete Fragen. Vielleicht versuchen beide mit dem Nervenkitzel der Autorennen die Tristesse ihres Alltags zu vergessen? Vielleicht verdoppelt sich das Bedürfnis auszubrechen nur und verstärkt sich im gemeinsamen Streben nach dem kleinen Glück? 


"Last night I stood at your doorstep
Trying to figure out what went wrong"
Was für eine Situation ist diese, die zu Beginn von "Long walk home" geschildert wird? Ein Mann steht auf der Türschwelle im Haus seiner Geliebten und will herausfinden, was falsch gelaufen ist. Wie lange kennen die beiden sich? Sind sie nur ein Liebespaar oder mehr? Wie alt sind sie? Welche Geschichte verbindet sie beide? Ein Gespräch kommt nicht zustande, eine Klärung wird nicht erreicht. Er wendet sich ab und geht in Richtung der Stadt:
"I could smell the same deep green of summer
Above me the same night sky was glowin'
In the distance I could see the town where I was born"
Doch er ist sich sicher, dass ihm nun ein langer Heimweg bevorsteht, "hey pretty darling, don't wait up for me", er geht den Weg allein, niemand soll auf ihn warten. Aus dem jungen Rennfahrer ist ein einsamer Mann geworden, der seine Spuren sucht:
"In town I passed Sal's grocery
The barbershop on South Street
I looked in their faces
They were all rank strangers to me
The Veteran's Hall High upon the hill
Stood silent and alone
The dinner was shuttered and boarded
With a sign that just said 'Gone'"
Einerseits Zeichen der Konstanz im Stadtbild, andererseits trifft er ihm fremde Menschen in den bekannten Geschäften, andere Geschäfte sind geschlossen. Er erinnert sich an die Worte seines Vaters, der ihm sagte, wie sehr diese Stadt seine Heimat sei, beschützend und behütend,
"it's a beautiful place to be born
It just wraps its arms around you
Nobody crowds you and nobody goes it alone"
Der Sänger erinnert sich an diese Worte und spürt, dass er in dieser seiner Heimatstadt noch nicht wieder angekommen ist, der Heimweg wird noch lang sein, immer noch. Er sieht die alten vertrauten Gebäude und spürt dieses Gefühl der Fremde und Distanz. Und mehr weiß er schließlich nicht, er weiß nicht, ob sein Weg ihn tatsächlich nach Hause bringen wird. Er wird auf die suche nach dieser Umarmung durch die Stadt gehen, er wird die anderen Menschen aufsuchen und darauf hoffen, von ihnen wieder aufgenommen zu werden. Und er wird schauen, was ihm die geliebte Frau an der Türschwelle zugesteckt hat, welche Botschaft sie ihm hinterlassen hat. Vielleicht fahren sie eines Tages wieder an die See , wenn der Sommer wieder kommt, "'cause summer's here and the time is right." 
Das Leben scheint wieder einen neuen Kreis zu beginnen, die Menschen sind wieder an dem Punkt angelangt, von dem aus sie einen Neuanfang probieren müssen. Aber die Richtung ist klar: Heimwärts.

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